Druckerei der Zukunft ist digital
Die Druckerei Kern GmbH aus Bexbach mit Zweigstelle im französischen Saargemünd hat in den letzten zwei Jahren verstärkt in den Digitaldruck und die Verarbeitung sowie in die Personalisierung von Direktmailings investiert. Über weitere Zukunftsperspektiven sprach Geschäftsführer und Mitinhaber André Kern mit Günther Bregel.
Der Familienbetrieb Kern wurde bereits im Jahr 1900 als Buchdruckerei und Schreibwarengeschäft gegründet. Wie stellt sich Kern heute auf?
Ich sehe uns als multimedialen Dienstleister. Wir versuchen sehr vielschichtig nicht nur zu drucken, sondern vor allem auch zu beraten. Von unserer Ausstattung her sind wir in der Lage, von der Kleinstauflage bis zur großen Auflage einen Full-Service und ein gutes Produkt zu bieten.
Sehen Sie Digitaldruck und Web-to-Print für Ihren Betrieb als Ergänzungen oder mittelfristig als eine echte Konkurrenz zum Offsetdruck?
Ich habe Anfang des Jahres die "Hunkeler Innovation Days 2011" besucht und war – trotz der sehr fortschrittlichen Ausstattung unseres Betriebes – von der Weiterentwicklung der digitalen Techniken enorm beeindruckt. Wir haben zwar Mitte letzten Jahres eine neue Speedmaster CX 102 in Betrieb genommen und werden zur drupa auch unsere 8-Farben-Maschine austauschen. Der Digitaldruck in all seinen Facetten macht aber so schnelle Fortschritte, dass ich mir bei Investitionszyklen von fünf bis acht Jahren schon vorstellen kann, dass dies die letzten Investitionen in den Offsetdruck sein werden. Die Druckerei der Zukunft ist digital.
Wo sehen Sie persönlich die Stärken von Kerndruck?
Wir haben in den letzten Jahren während der Krise in der Druckindustrie bereits gelernt, sehr produktiv zu sein, wenig Verwaltungsaufwand zu haben und sehr kundenorientiert zu arbeiten. Da wir schon sehr früh in das digitale Datenhandling und Computer-to-Plate eingestiegen sind, sind wir rechtzeitig in die neuen Bedürfnisse von Kunden und Agenturen hineingewachsen. Dadurch können wir heute sehr kostengünstig und in Top-Qualitäten produzieren.
Bereits in den vergangenen zwei Jahren haben die Investitionen in den Digitaldruck und die dazu passende vollautomatische Weiterverarbeitung die Investitionen in den Offsetdruck und in klassische Falzmaschinen überholt. So groß die Investitionen in die klassische Linie auch waren, sie betrugen nur noch etwa 40 Prozent gegenüber 60 Prozent Investitionsvolumen im digitalen Bereich. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren sicherlich noch dramatisch verstärken.
Andere Druckereien konzentrieren sich auf ihre Hauptkompetenz und kaufen Dienstleistungen hinzu. Sie machen das umgekehrt.
Für mich ist die Druckerei ein Hobby, eine Passion. Und für mich zählt der Grundsatz, ein Produkt und seine Entstehung von Anfang bis zum Ende zu sehen: Datenübernahme, Proofen, Ausdruck von Vorabexemplaren im Digitaldruck. Klebebinden, am Schluss das fertige Produkt. Diese Motivation und die Zufriedenheit gilt auch für die Mitarbeiter.
Darüber hinaus hat das heute bei den sinkenden Margen auch ganz pragmatische Gründe: Die Kosten für Versand und Transporte zwischen Dienstleistern fallen weg, und man hat die Prozesse im Griff. Auch in unserem voll vernetzten und gut strukturierten Betrieb kommt es zu Fehlern. Setzt man einen externen Dienstleister ein, beginnen die Telefonate und Probleme. Wenn man die gesamte Verarbeitung im eigenen Haus hat, ist das alles sehr viel einfacher zu regeln.
Im Digitaldruck können wir ein einzelnes Exemplar komplett fertig stellen und dem Kunden zur Freigabe bemustern. Das bringt immense Vorteile – auch in der Wertschöpfung. Für mich ist es eines der Erfolgsgeheimnisse von uns, ad hoc schnell reagieren zu können. Wir haben immer auch die Möglichkeit, parallel zu arbeiten. Das heißt, wir sind noch am Falzen und können schon die ersten Bogen heften oder binden. Ich sehe da vor allem einen sehr großen Zeitvorteil.
Welchen Stellenwert hat bei Ihnen "personalisiertes Direktmailing"?
Kerndruck verbindet man heute oft mit "Erfolg durch Mailing". Für mich war es einfach ein Steckenpferd, in Verbindung mit unserer tiefen Weiterverarbeitung besondere Produkte zu machen. Das hat uns gelehrt, dass jedes Einzelexemplar wichtig ist. Man weiß, dass die gesamte Auflage perfekt sein muss, will man nicht personalisierte Stücke mit viel Aufwand nacharbeiten. Wir sind in der Lage, sehr komplexe Produkte anzubieten. 80 Prozent aller unserer Produkte sind heute visualisiert.
"Der Digitaldruck ... macht so schnelle Fortschritte, dass ich mir bei Investitionszyklen von fünf bis acht Jahren vorstellen kann, dass ich auf der drupa 2012 meine letzte Investition in den Offsetdruck vornehme."
Diese Art der Produktion hat viel mit Informationstechnologie zu tun. Sind Sie hier gut aufgestellt?
Wir sind in den letzten Jahren in diesen Bereich hineingewachsen und haben gute Mitarbeiter. Geholfen hat uns die junge Altersstruktur in der Vorstufe. Man merkt natürlich, dass das klassische IT-Wissen immer mehr gefragt ist. Das ist auch ein Grund, warum jetzt auch mein Bruder als Wirtschaftsinformatiker in den Betrieb einsteigen wird. Es gibt immer mehr komplexe Themen bei der Umsetzung der durch die Agenturen gewünschten Ideen. Dazu gehören neben der rationellen Personalisierung im Digitaldruck auch die Themen Datensicherheit, ein geeignetes Backup und ein redundant aufgebautes, ausfallsicheres Netzwerk – das sind die Themen, mit denen wir uns sehr beschäftigen und die auch eine Menge Geld kosten.
Mit dem Einstieg Ihres Bruders wird sich also das Gesicht von Kerndruck weiter wandeln?
Ja, nochmals verjüngen. Ich hoffe, dann viele Ideen, die mir schon lange im Kopf herumgehen und zu denen das tiefe Fachwissen heute fehlt oder teuer zugekauft werden müsste, mit ihm zusammen realisieren zu können. Wir diskutieren natürlich auch heute bereits in unserer Freizeit, wohin sich Kern in der Zukunft entwickelt. Und wir werden diese Themen dann verstärkt angehen.
Können Sie das konkretisieren? Wohin geht Ihre Ausrichtung? Was sind die nächsten Schritte?
Wir haben jetzt schon mit ganz einfachen Sachen angefangen. So haben wir unserer Web-Seite einen Facebook- und einen Twitter-Auftritt hinzugefügt. Viele Kollegenbetriebe präsentieren sich auch heute noch mit einem Kupferstich von Gutenberg. Unsere Zielgruppe sind Werbeagenturen, bei denen die Facebook-Seite unheimlich gut angekommen ist: Hier wollen wir den Kontakt durch die Einbindung in unser Workflowsystem mit Rückmeldungen über den Produktionsfortschritt noch weiter verstärken. In unserem neuen Erweiterungsbau haben wir zudem die Möglichkeit geschaffen, unseren guten Kunden die Komplexität in einem großen Veranstaltungsraum mit entsprechender Technik – wie zum Beispiel Beamer, Leinwand, Netzwerkanschlüssen – näherzubringen. Dies kann beispielsweise eine Schulung über druckfähige Daten oder das Dienstleistungsangebot der Post sein. Und immer auch eine Präsentation unserer technischen Möglichkeiten. Und danach geht es dann an die Digitaldruckmaschine, wo sofort ein erstes Exemplar der zuvor erstellten Arbeit ausgegeben wird.
Druck&Medien, Oktober 2011, S. 10f
Publication : vendredi 7 octobre 2011